Wenn es ein Thema gibt, das mich immer wieder in seinen Bann zieht, wenn neue Studien erscheinen, dann ist es jenes zu Sport und Herz(krankheiten). Das liegt nicht nur daran, dass ich selbst begeisterte Sportlerin bin und schon jahrelang in der Sportkardiologie arbeite, sondern auch daran, dass die Wissenschaft zu diesem Thema komplex und ständig im Wandel ist. Gerade was Sport(belastung) und Herz betrifft erscheinen immer wieder Updates und Weiterentwicklungen zum Herz allgemein und zu den unterschiedlichen Erkrankungen aufgrund der ständigen Fortschritte in der Forschung. Dies trifft gerade auch zu, wenn man meinen persönlichen Lieblingssport Ausdauersport betrachtet.
Auf den ersten Blick scheint die Beziehung zwischen Ausdauersport und Herzkrankheiten paradox. Gerade weil es ja immer wieder heißt, dass Sport doch das Herz schützt, oder? Dennoch zeigen Studien immer wieder, dass Sportler, die über Jahre hinweg sehr viel Ausdauersport betreiben (sogenannte „Masters-Athleten“), überraschend hohe Werte an Kalzium in den Herzkranzgefäßen aufweisen. Dies ist ein Marker für frühe Arteriosklerose (Verhärtung der Arterien) und Herzkrankheiten. Obwohl viele dieser Studien kleine Stichproben und mögliche Störfaktoren beinhalten (zum Beispiel, dass einige Sportler erst später im Leben mit dem Ausdauersport angefangen haben, nachdem sie davor einen ungesunden und vor allem inaktiven Lebensstil pflegten), werfen die Ergebnisse dennoch wichtige Fragen auf
Eine Theorie besagt, dass übermäßiger Ausdauersport akute und chronische Schäden am Herzen verursachen könnte, die langfristig zu Herzkrankheiten führen. Aber genau vorherzusagen, wer Herzkrankheiten entwickeln wird und warum, ist noch immer schwierig.
Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ein höherer CACS (Koronararterien-Kalzium-Score) bei Sportlern ähnlich mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden ist wie in einer nicht-athletischen Vergleichsgruppe. Allerdings ist das absolute Risiko durch Koronarverkalkung bei Sportlern wahrscheinlich geringer, was auf mehrere vorteilhafte Anpassungen zurückzuführen ist.

Ein wichtiger Marker für Herzbelastung oder -schäden ist das Herz-Troponin. Dieser Wert steigt nach Ereignissen wie Herzinfarkten, aber auch nach intensiven Ausdauereinheiten wie Marathons. Früher ging man davon aus, dass diese Erhöhungen nach dem Sport harmlos sind, da sie relativ häufig auftreten, gesunde Sportler betreffen und ohne offensichtliche Symptome wieder abklingen. Aber neuere Studien haben gezeigt, dass Menschen mit abnorm hohen Troponinwerten nach dem Sport ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und sogar für den Tod haben könnten. Das bedeutet, dass erhöhte Troponinwerte nach dem Sport ein Anzeichen für zukünftige Risiken sein könnten, statt harmlos zu sein.
Was jedoch nicht klar ist, ob Sportler mit bestehenden Herzkrankheiten oder hohen Kalziumwerten in den Arterien stärkere Troponinreaktionen zeigen als gesunde Sportler. Falls ja, könnte das auf versteckte Herzkrankheiten bei symptomfreien Sportlern hinweisen. Genau dazu liefern neue Forschungsergebnisse jetzt klarere Einblicke.

Was wurde untersucht
Untersucht wurde eine Gruppe von Freizeit-Athlet:innen, die auch aktiv an Walking-, Radfahr- und Lauf-Wettkämpfen teilnehmen. Das Forschungsteam analysierte die Troponin-Werte vor und nach dem Training, um mögliche Herzschäden festzustellen.
Dabei wurden die Blutwerte von 497 Walkern, 122 Radfahrern und 398 Läufern mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren (62,7% waren Männer) untersucht. Danach wurden die Athleten mit den höchsten und niedrigsten Troponinwerten nach dem Sport ausgewertet (die sogenannten high- und low-Responder, was 10% der Gesamtstichprobe ausmachte). Diese Athleten erhielten innerhalb von 3 Monaten nach dem Training eine Herz-CT-Untersuchung. Ziel war es, den Kalziumwert in den Arterien (CAC-Wert) zu messen, den Grad der Arterienverengung und die Art der Plaques (verkalkt, teilweise verkalkt oder nicht verkalkt).
Spannenderweise gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf die Kalziumwerte. Auch wenn 61 von 102 Athleten einen CAC-Wert über 0 hatten (was auf Herzkrankheit hindeutet), war der Anteil der Athleten mit einem Wert über null bei den hohen Respondern (65%) und den niedrigen Respondern (50%) ähnlich. Auch die Plaques verteilten sich ähnlich.
Fazit der Studie
Die Studie zeigt, dass die Zunahme von Troponin nach dem Sport nicht unbedingt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Herzkrankheiten verbunden ist. Das bedeutet, dass die erhöhten Troponinwerte nach dem Training nicht zuverlässig vorhersagen können, wer später eine koronare Herzkrankheit entwickeln wird und wer nicht.
Die Forscher führten zusätzlich an, dass viele Freizeit-Athleten Troponinwerte aufwiesen, die über dem oberen Referenzbereich lagen. Das zeigt, dass Ausdauersport zu einer fast universellen Erhöhung der Herzmarkierungen führt, die einem Herzinfarkt ähneln. Trotzdem zeigte sich in dieser Studie, dass diese Marker nicht unbedingt ein Hinweis auf eine Herzkrankheit sind.
Was bedeutet das für uns Ausdauersportler?
Sind wir überrascht – oder vielleicht sogar ein bisschen beunruhigt –, weil diese Gruppe ziemlich häufig Herzprobleme hatte und bei vielen nach dem Sport der Troponinwert stark angestiegen ist? Immerhin ähneln viele von uns diesen 'Freizeitsportlern', sowohl was Alter und Lebensstil als auch unser Trainingsverhalten angeht?
Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht so genau. Die angegebene Trainingsintensität der Aktivitäten, die die Teilnehmer vor der Troponinmessung gemacht haben, war ziemlich hoch – Walker und Radfahrer waren bei etwa 80 % ihrer maximalen Herzfrequenz unterwegs, die Läufer sogar bei rund 95 %. Und ja, solche Belastungen können durchaus erklären, warum ihre Troponinwerte – also Marker, die auf Herzstress oder -schäden hinweisen – nach dem Sport erhöht waren. Wie stark der Troponinwert ansteigt, hängt eben mit der Trainingsintensität und -dauer zusammen.

Aber was heißt das jetzt für uns?
Ich denke, was wir aus der Studie mitnehmen sollten, ist vor allem eins: Es gibt (noch) keine einfache, eindeutige Antwort auf die Frage: "Führt Ausdauersport zu Herzerkrankungen?"
Manche Leute, die viel laufen (oder gehen oder radfahren), bekommen irgendwann eine Herzerkrankung. Andere, die sich kaum bewegen, auch. Und diejenigen, die am meisten Sport machen, entwickeln nicht automatisch häufiger Herzprobleme als jene, die es entspannter angehen lassen.
Heißt letztendlich: Das Thema Sport und Herz ist und bleibt komplex. Pauschale Aussagen helfen hier leider nicht weiter, weil es eine individuelle Angelegenheit ist. Und solange dein Herz mitmacht und du auf deinen Körper hörst, ist regelmäßige Bewegung wahrscheinlich eher ein Teil der Lösung – nicht des Problems. Bleibt die letzte Frage:
Ist Ausdauersport riskant?
Jede körperliche Belastung birgt gewisse Risiken – das gilt auch (oder gerade) für intensiven Ausdauersport. Aber: Momentan gibt es einfach noch keine verlässlichen Methoden, um vorherzusagen, bei wem genau das Risiko fürs Herz besonders hoch ist. Daher ist es wichtig, neben dem Training auf die entsprechende Erholung, die richtige Ernährung und entsprechende Trainingspausen zu achten.
Aengevaeren et al. Exercise and Coronary Atherosclerosis: Observations, Explanations, Relevance, and Clinical Management. Circulation. 2020 Apr 21;141(16):1338-1350. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044467. Epub 2020 Apr 20. PMID: 32310695; PMCID: PMC7176353.
Janssen et al TREAT study collaboration. Relationship Between Exercise-Induced Cardiac Troponin Elevations and Occult Coronary Atherosclerosis in Middle-Aged Athletes. J Am Coll Cardiol. 2025 Jun 24;85(24):2370-2382. doi: 10.1016/j.jacc.2025.04.047. PMID: 40533126.