Sportrix Anita Portrait
Anita Birklbauer
10.5.24

Sportlich, aber Arteriosklerose?

Wenn du trainierst, wirst du länger leben als Personen, die sich wenig bis kaum bewegen. Aber kannst du auch zu viel trainieren?

Sportler:innen aller Leistungsklassen lieben es, sich bis zum Äußersten zu verausgaben. Deshalb boomen gerade auch Marathons, Ultramarathons, Ironman-Triathlons und andere Long distance-Rennen extrem. Wie in vielen anderen Lebensbereichen auch - Essen, Alkohol, Arbeit - kann man es auch mit dem Sport übertreiben. Die meisten Belastungen im Leben bewegen sich auf einer Glockenkurve, bei der „zu viel“ und „zu wenig“ schädlich sind, und irgendwo in der Mitte liegt auch beim Training der Bereich von „genau richtig“.

Du weißt wahrscheinlich, dass der kardiovaskuläre Nutzen von Bewegung auf einem ziemlich niedrigen Niveau beginnt - der größte Nutzen wird erreicht, wenn man vom Nichtstun zum Tun übergeht und dabei den Kreislauf in Bewegung bringt (d.h. es braucht auch Bewegung über eine gewissen Schwelle, um den Nutzen von Bewegung zu erfahren). Über das optimale Maß an körperlicher Betätigung gibt es immer wieder Diskussionen. Die aktuellen Empfehlung laut WHO von 150 Minuten pro Woche mäßig intensiver oder 75 Minuten pro Woche intensiver (aerober) Bewegung und 1-2 x Krafttraining sind nicht extrem hoch angesetzt, dennoch schaffen viele Menschen es aktuell nicht, diese Empfehlungen zu erreichen. Es wurde gerade eine Verdopplung dieser Vorgaben auf 300 Minuten mäßig intensiver oder 150 Minuten intensiver Bewegung pro Woche diskutiert und angeraten (bringt natürlich nur etwas, wenn sie eingehalten werden). Dies bringt einen enormen Nutzen für die kardiovaskuläre Gesundheit, weil einfach die Alltagsbewegung immer weniger wird. Denk daran, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit noch immer die Todesursache #1. Wir wissen also, dass ein gewisses Maß an Bewegung gut ist und dass mehr Bewegung bis zu einem gewissen Grad eine bessere Gesundheit mit sich bringt.

Gerade in letzter Zeit gab es einige Querschnittstudien, die drauf hingewiesen haben, dass ein extrem hohes Pensum an Sport riskant für die Herzgesundheit sein könnte. So war z.B. beim Vergleich von Sportlern mit Kontrollgruppen (d. h. Menschen aus der Allgemeinbevölkerung) der Koronararterien-Kalk-Scores (CACS) höher, was auf eine stärkere Verkalkung und das Vorhandensein von arterosklerotischen Plaques hinweist. Unter den Sportlern haben diejenigen, die aktiver sind, sogar höhere CACS als diejenigen, die weniger aktiv sind.

aus: Aengevaeren et at. (2020)

Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte, die bei Ausdauersportlern wichtig sind und die auch belegen, dass sie nicht vorzeitig sterben.

Zum einen leben Sportler länger als die Allgemeinbevölkerung, wobei die Gesamtsterblichkeit und die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um etwa 30-40 % geringer ist. Ein Übersichtsartikel zum Thema Mortality and longevity of elite athletes („Sterblichkeit und Langlebigkeit von Spitzensportlern“) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Elite-Ausdauersportler (Aerobic) und gemischte Sportler (Aerobic und Anaerobic) überleben länger als die Allgemeinbevölkerung, was sich sowohl in einer geringeren Sterblichkeit als auch in einer höheren Langlebigkeit (Lebenserwartung) zeigt, die in erster Linie durch eine geringere kardiovaskuläre Sterblichkeit erklärt wird. Darüber hinaus sind die Raten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs bei Hochleistungssportlern um 27 % bzw. 40 % niedriger als bei Nicht-Sportlern. Selbst bei Nicht-Sportlern scheint ein höheres Aktivitätsniveau von Vorteil zu sein.

aus: Eijsvogels et al. (2016)

Zum anderen ist deine VO2 max ein wichtiger Marker, wenn es um deinen Fitnesszustand und deine Gesundheit geht Ja ich weiß, du bist kein Leistungssportler, aber die VO2 max ist auch einer der stärksten Prädikatoren für die Gesamtmortalität. Jene, die ein höheres aerobes Fitnessniveau haben, haben eine wesentlicher bessere Prognose im Vergleich zu weniger fitten Personen, wobei das geringste Risiko bei Personen mit einer so genannten „Elite“-Fitness zu beobachten ist. Und dann muss man auch noch anmerken, dass auch wenn in einigen Sportlerkohorten ein höheres Plaqueaufkommen beobachtet wurde, ist die Plaquenzusammensetzung möglicherweise weniger schädlich und durch mehr verkalkte und weniger gemischte Plaques gekennzeichnet.

Man weiß, dass verkalke Plaques bekannterweise stabiler sind und weniger dazu neigen, zu platzen und einen Herzinfarkt auszulösen. Anders ausgedrückt: Auch wenn Sportler mehr Plaque haben, kann die Plaque-Zusammensetzung gutartiger sein und daher nicht mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sein.

Eine Reihe von Querschnittstudien unterstützt diese Annahmen. Kleiner Hinweis nebenbei: Die meisten der derzeit verfügbaren Nachweise beziehen sich auf Männer mittleren Alters und ältere Männer und gelten daher möglicherweise nicht für jüngere Sportler oder Frauen. Tatsächlich gibt es noch keine Beweise dafür, dass Frauen, die viel Sport treiben, im Vergleich zu Nicht-Sportlern einen höheren CACS-Wert aufweisen.

In einer Studie, die als Measuring Athletes' Risk of Cardiovascular Events oder MARC-Studie bekannt ist, hatten die aktivsten Teilnehmer mehr verkalkte Plaques und weniger gemischte Plaques als die am wenigsten aktiven Teilnehmer.

Bei jenen Sportlern, die nach eigenen Angaben lebenslang am meisten Sport betrieben haben (ca. 6 Stunden pro Woche und das ab dem 12. Lebensjahr) war die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie einen CACS-Wert von > 0 aufwiesen. Die aktivste Gruppe wies auch eine höhere Prävalenz jeglicher Art von Plaques auf als die am wenigsten aktive Gruppe (die nach eigenen Angaben lebenslang etwa 1,5 Stunden pro Woche Sport trieb).

Mäßige und starke körperliche Betätigung waren nicht mit dem Risiko für CAC oder Plaque verbunden, sehr starke körperliche Betätigung hingegen schon. Je mehr Zeit pro Woche für sehr intensive sportliche Betätigung aufgewendet wurde, desto größer war das Vorhandensein von CAC und Plaque.

Die Arten von Plaques waren jedoch unterschiedlich: Diejenigen, die viel Sport trieben, hatten tendenziell weniger gemischte Plaques und mehr verkalkte Plaques.

aus: Aengevaeren et al (2017)

Hier sind noch ein andere Beispiele von Studien, die sich mit dem Zusammenhang  Sport und CACS befasst haben:

Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass männliche Ausdauersportler eine höhere Prävalenz von erhöhtem CACS und koronaren Plaques aufwiesen, wobei die meisten dieser Plaques verkalkt waren. In der Kontrollgruppe war die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Plaques eine gemischte Morphologie aufwiesen.

Eine 2020 veröffentlichte Studie zeigte, dass der Gesamtumfang der sportlichen Betätigung nicht mit dem Fortschreiten des CACS bei männlichen und weiblichen Ausdauersportlern mittleren Alters zusammenhing.

Eine Studie von 2021, an der über 25 000 gesunde erwachsene Männer und Frauen teilnahmen, ergab, dass diejenigen, die ein höheres Maß an körperlicher Aktivität ausübten, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einen CACS-Wert über Null und eine schlechtere CACS-Progression aufwiesen als die am wenigsten aktive Gruppe.

Es scheint also ziemlich klar, dass Sportler im Vergleich zu Kontrollgruppen häufig höhere CACS-Werte aufweisen, obwohl sie bessere Werte bei anderen kardiometabolischen Risikofaktoren wie Körpergewicht, Blutdruck und Blutfetten haben. Dies ist besorgniserregend, da ein höherer CACS-Wert mit einem größeren Risiko für negative kardiovaskuläre Folgen verbunden ist. Training scheint das Risiko, das mit einem höheren CACS verbunden ist, zu verringern, beseitigt es aber nicht! Nimmt man zwei Personen mit dem gleichen Ausmaß an Koronararterienverkalkung her, so hat die körperlich aktivere Person ein geringeres kardiovaskuläres Risiko, jedoch haben beide Personen ein höheres Risiko als jemand mit einem niedrigen CACS. Es ist also wichtig, die eigene Krankengeschichte, das genetische Risiko für Herzkrankheiten, die kardiovaskulären Risikofaktoren und die Symptome zu berücksichtigen, wenn es darum geht, ein sicheres Maß und eine sichere Intensität des Trainings zu bestimmen.

Die gute Nachricht ist, dass Sportler einige Richtlinien befolgen und Maßnahmen ergreifen können. In einem Artikel, der kürzlich im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, geben Experten einige Ratschläge und Überlegungen für Sportler.

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