Die Rolle von Trainingstherapeut:innen bei Trainings- und Bewegungsprogrammen

Die meisten von uns kennen Masseure, Personal Trainer, Diätologen, Physiotherapeuten – aber Sportwissenschafter oder Trainingstherapeuten? Noch nie gehört! Die Frage, was der Unterschied zwischen Physiotherapeut und Trainingstherapeut (exercise physiologist) ist, ist keine seltene. Auf den Begriff Trainingstherapie oder Sportwissenschafter / Exercise Physiologist kommt zu oft noch immer ein fragendes Gesicht. Warum und mit welchen Problemen sucht jemand einen Trainingstherapeuten oder Sportwissenschafter auf? Wann wäre ein Termin sinnvoll? Und was ist wieder der Unterschied zwischen Sportwissenschafter und Trainingstherapeut? Gar nicht so kompliziert und genau das möchte ich im folgenden erklären und euch näherbringen.

Trainingstherapeut:in? Sportwissenschafter:in?

Personen, die an einer chronischen Erkrankung leiden, gerade auf Reha sind, Rat für ihren Sport oder fürs Training haben wollen oder einfach ambitioniert an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen und dafür trainieren wollen, das sind jene Personen, die bei Sportwissenschaftern und Trainingstherapeuten gut aufgehoben sind. Trainingstherapeuten sind dabei in Rehazentren, Physikalischen Instituten oder Krankenhäusern tätig und unterstützen dort im therapeutischen Setting den Weg zurück zum Alltag oder justieren da oder dort wieder nach, damit das Training wieder für die aktuelle Ist-Situation passt. Außerhalb des Rehaprozesses dürfen Trainingstherapeuten aktuell noch nicht weiter mit Patient:innen arbeiten. Der Trainingstherapeut, der dann in der Selbständigkeit seine Arbeit nur als Sportwissenschafter ausüben darf, unterstützt dort Personen in der Prävention, im Sport und beim Training oder jene, die laut Rehabericht austherapiert sind, aber noch Unterstützung für das Training und die Bewegung in Anspruch nehmen wollen. Der folgende Beitrag soll deswegen mal primär den Begriff des Trainingstherapeuten näher darstellen.

Was machen Trainingstherapeut:innen?

Trainingstherapeuten sind akkreditierte Sportwissenschafter1, die evidenzbasiert Trainingspläne und -programme erstellen und vermitteln. Das Hauptziel dabei ist das Behandeln und Wiederherstellen physiologischer Funktionen, der Gesundheit und des Wohlbefindens bei chronischen Erkrankungen oder Einschränkungen. Dabei lernen sie den Personen nicht nur, Bewegung und Sport richtig zu dosieren, sie versuchen dabei auch nebenbei den aktiven Lebensstil in deinen Alltag zu integrieren. Trainingstherapeuten vermitteln dies u.a. in den folgenden Bereichen:

Mit welchen Personen arbeiten Trainingstherapeut:innen?

Trainingstherapeuten arbeiten mit Personen, die an einer Reihe von Krankheitsbildern leiden, auf die ich in der Folge etwas im Detail eingehen möchte. 

Trainingstherapie bei Personen, die vielleicht auch zusätzlich schon eine medikamentöse Therapie durchlaufen

Schauen wir uns also jetzt an, wie Trainingstherapie bei Personen, die vielleicht auch zusätzlich schon eine medikamentöse Therapie durchlaufen, unterstützend eingreifen kann.

Trainingstherapie bei Herzerkrankungen

Erkrankungen, die unseren inneren Motor, das Herz, betreffen, beeinflussen unser Leben und unseren Sport. Menschen mit Herzinsuffizenz, Herzklappenerkrankungen oder Herzrhythmuserkrankungen befinden sich manchmal am Rande von lebensbedrohlichen Situationen. Gerade wenn es um die chronische Herzinsuffizienz geht, wo das Herz nicht mehr fähig ist, genügend Blut durch den Körper zu pumpen, ist trotz allem Bewegung entscheidend für den weiteren Verlauf dieser ernsthaften Erkrankung. Sowohl Medikamente, vor allem aber auch eine Veränderung des Lebensstils – und da gehört Bewegung und Sport absolut dazu –  können die Lebensqualität verbessern und die Erkrankungsverlauf verlangsamen. Bewegung ist bei Herzerkrankungen eine wesentliche Säule.

Der Herzmuskel braucht so wie jeder andere Muskel auch Reize und muss trainiert werden. Ist der Muskel schon geschädigt, trägt die Bewegung wesentlich zum Erhalt der Leistungsfähigkeit bei. Trainingstherapeuten betreuen die Betroffenen mit entsprechend adaptierten Trainingsprogrammen, da diese in Abhängigkeit der Herzerkrankung auch unterschiedliche Trainingsintensitäten erlauben. Selbst bei einer Herzerkankung gibt es unterschiedliche Parameter, die ausschlaggebend dafür sind, wie intensiv und auch welche Sportarten ich noch trainieren darf oder nicht. Da Training auch Hormone und die Prozesse im Körper beeinflusst, muss die Art der Erkrankung immer berücksichtigt werden, um z.B. nicht Gefahr zu laufen, eine Herzrhythmusstörung auszulösen. Trotz allem, am Schlimmsten ist es für das Herz, keine Bewegung zu machen. Die regelmäßige körperliche Aktivität bringt so viele Vorteile mit sich wie:

  • verbesserte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Verbesserte Kraft- und Ausdauerfähigkeit
  • verbessertes Meistern der Alltagssituation und dadurch größere Unabhängigkeit
  • verbesserte Lebensqualität und dadurch weniger Gefahr für Depression oder Angstzustände
  • der Krankheitsverlauf wird verlangsamt.
Trainingstherapie für Krebs- und Tumorpatient:innen

Krebs- und Tumorbehandlungen bringen oft einen enormen Einschnitt in einen bis gerade eben noch völlig normalen Alltag und ein völlig unbekümmertes Leben. Dazu kommt noch der Aspekt, dass dieser Einschnitt auch auf die allgemeine Gesundheit und die mentale Verfassung abfärben kann.

Mehr als zuvor kommt Bewegung in der Krebs- und Tumorbehandlung immer mehr eine wesentliche Bedeutung zu, sowohl als Vorbeitung für die Behandlung und Therapie, begleitend und auch in der anschließenden Rehabilitation. Immer mehr Forschungsberichte und wissenschaftliche Beiträge zeigen auf, dass bei aktiven Personen weniger und nicht so schwere Nebenwirkungen durch die Behandlung auftreten. Trainingstherapie unterstützt dabei, dass auch aggressive Behandlungen besser toleriert werden. Dazu kommt, dass dadurch auch die körperliche Fitness besser erhalten bleibt und die krankheits-assoziierte Müdigkeit weniger stark zum Tragen kommt. Durch das Training und die physiologischen Prozesse, die dabei im Körper vor sich gehen (z.B. Hormonausschüttung etc.), wird auch die mentale Komponente gelindert und die Lebensqualität positiv gestärkt.

Die Trainingstherapie mit ihren Sport- und Bewegungsprogrammen versteht sich dabei analog zu den Ärzten, die Medikamente je nach Bedarf und Notwenigkeit verschreiben und anpassen. Die Trainingstherapie beruht dabei auf wesentlichen Prinzipien, die entscheidend für den jeweiligen Betätigungsbereich sind. Zu berücksichtigende Faktoren sind dabei neben der Erkrankung der Patienten deren körperliche und physische Gesundheit und Verfassung und wie sie im einzelnen auf die Krebs- oder Tumorbehandlung reagieren. Die Untersuchungen empfehlen dabei, dass die Personen individuell so aktiv und sportlich tätig sein sollen, wie es für sei möglich ist. Viele Betroffene wollen Bewegung und Sport einbauen, aber sind sich selber nicht sicher, wann, wo, ob und zu wen man da gehen kann.

Das ist genau der Zeitpunkt, wo man sich an einen Trainingstherapeuten wenden sollte. Dieser gibt einem genau die Antworten auf die Fragen, wann man Sport machen soll (vor / nach / während der Therapie, gar nicht?), welche Art der Belastung förderlich ist, wo und wie man das umsetzt oder ob das überhaupt Sinn macht. Hier kommt dem physioloigschen Blickwinkel des Trainings ein ganz entscheidender Punkt zu, denn Bewegung beeinflusst den Körper, keine Frage. Die menschliche Physiologie ist aber auch im Kampf gegen den Krebs oder Tumor auf Bewegung angewiesen. 

Trainingstherapie für Schlaganfallpatient:innen

Ein Schlaganfall kann nur kurze, oft aber lange und einschränkende Folgen mit sich bringen. Die Folgesymptome von Schlaganfällen sind vielseitig und reichen von

  • Schwäche, Taubheit oder Lähmungen im Gesicht, im Arm oder Bein und kann eine aber auch beide Körperhälften betreffen
  • Sprechschwierigkeiten oder Probleme, andere (inhaltlich) zu verstehen
  • Seheinschränkung oder -verlust
  • Probleme beim Schlucken oder Essen
  • Müdigkeit
  • verringerte kardiovaskuläre Fitness
  • Gedächtnisbeeinträchtigung und Erinnerungsschwierigkeiten

Ein geringes Maß an Bewegung und Training verhilft Schlaganfallpatient:innen zu einer besseren Lebensqualität. Dadurch wird nicht die aktuelle Situation und die Folgen des Schlaganfalls verbessert, sondern gleichzeitig aktiv Vorsorge gegen mögliche weitere Schlaganfälle betrieben. Dabei arbeiten wir Trainingstherapeuten in folgenden Bereichen:

  • Kraft- und Ausdauertraining bzw Fitness
  • Gleichgewicht und Koordination
  • Beweglichkeit und Mobilität
  • Koordination integriert in den Alltag, um die Alltagsaktivitäten zu erleichtern
  • Sturzprävention und Gangtraining.

Die genaue Art des Trainings ist dabei sehr individuell und hängt von der aktuellen Situation bzw. den Folgen des Schalganfalls ab. Je nach Symptomen, der Schwere des Verlaufs und der körperlichen Verfassung erstellen Trainingstherapeuten einen adäquaten Trainingsplan. In Abhängigkeit der täglichen Verfassung sowie der Medikamente oder Nebenwirkungen bzw. zusätzlicher Erkrankungen wird dieser dann noch zusätzlich adaptiert. Gerade, da die Müdigkeit ein entscheidender limitierender Faktor bei Schlaganfallpatienten ist, soll dieser Faktor berücksichtigt werden. Kontroverserweise führt aber genau Bewegung und Training dazu, dass diese Müdigkeit weniger wird und daher sollten Personen zumindest versuchen, Aktivität in ihren Alltag zu bringen und moderates Training einzubauen.

Trainingstherapie für Menschen mit orthopädischen Problemen

Bei orthopädischen Problemen handelt es sich häufig um chronische Schäden oder Schmerzen im Bereich unseres Stützapparates. Dabei kann ein Gelenk direkt betroffen sein. Genauso gut kann eine Therapie aber auch das Lindern chronischer Schmerzen als Ziel haben. Das Behandlungsspektrum umfasst

  • Rehabilitation nach orthopädischen Eingriffen
  • allgemeine Beschwerden des Bewegungsapparats,
  • muskuläre Schwächen, Dysbalancen oder muskuläre Verspannungen
  • Haltungsschwächen oder –fehler wie Skoliosen etc. 
  • präoperatives Training
  • Gangsicherheitstrainnig oder Sturzprophylaxe
  • Wirbelsäulenprobleme (z.B. Low-back-pain oder Bandscheibenvorfall)
  • degenerative Veränderungen am Stützapparat (Arthrose, Osteoporose, etc.)
Trainingstherapie für Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen

Die Auffassung, dass Patienten mit Atemnot und Lungenproblemen jegliche Anstrengung vermeiden sollten, ist immer noch sehr weit verbreitet. Dabei fungiert auch hier Bewegung als extrem wichtige Säule: Bewegung ist auch hier ein wichtiger Teil jeder Rehabilitation. Lungenerkrankungen umfassen dabei folgende Pathologien:

  • Asthma bronchiale
  • COPD
  • Sarkoidose
  • Lungenfibrose
  • Lungenhochdruck.

Neben Ausdauer- und Krafttraining ist hier Atemmuskeltraining das A und O der Therapie. Mithilfe von u.a. Blutgasanalysen oder Sauerstoffsättigung kann auch hier die Belastung entsprechend adaptiert werden, sodass das Training genau so definiert wird, wie es individuell nötig ist.

Trainingstherapie für Menschen mit Schizophrenie

Schizophrenie ist ein sehr schwieriger, weil oft abgetaner Therapiebereich. Auch bei der Schizophrenie sind die Nebenerkrankungen wie Übergewicht oder metabolisches Syndrom weitverbreitet. Das metabolische Syndrom bezeichnet eine Kombination Erkrankungen (Hypertonie, Dyslipoproteinämie und Adipositas sowie Zucker- und Fettstoffwechselstörungen). Andere Faktoren wie körperliche Inaktivität, Stress, Rauchen und Alkohol erhöhen das Risoko für einen Herzinfarkt, Diabetes oder Schlaganfall. Viele der Nebeneffekte sind dabei leider direkt mit dem Phänomen Schizophrenie verbunden, wie etwa

  • Nebenwirkung der antipsychotischen Therapie ist eine mögliche Gewichtszunahme
  • fehlende Motivation und Überwindung, aktiv im Training mitzumachen und sich gesund zu ernähren
  • Schwierigkeiten, den Tag zu organisieren und vorauszuplanen

Die Lebenserwartung einer/s Schizophrenen ist zwischen 10-20 Jahre geringer als bei einer gesunden Person. Dennoch zeigen Studien bereits deutlich den positiven Effekt von Bewegung auch bei dieser Erkrankung auf, gerade auch was die psychische Komponente betrifft.

Bewegungsprogramme und Bewegungsempfehlungen werden immer mehr als zentraler Teil der Therapie gesehen und auch so vermittelt. Im Gesundheitsbereich wird Bewegung und Training oft als Medizin verkauft, weil Studien zu unterschiedlichsten Krankheitsbildern genau das belegen. Bewegung hilft bei Krankheiten und unterstützt auch medikamentöse Behandlungen. Trainingstherapeuten sind dabei jener Teil des Puzzles, der die Bewegung so gestaltet, dass die Intensitäten nicht zu hoch und auch nicht zu niederschwellig sind. Denn eine gewisse Intensität ist erforderlich, um einen Effekt zu erzielen. Es muss aber bei weitem kein Leistungssport sein.

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, deinem Leben mehr Sport zu geben, dann melde dich doch einfach bei mir. Als Sportwissenschafterin und Trainingstherapeutin unterstütze ich dich gerne dabei!

    1 Verordnung des Bundesministers für Gesundheit Link

    Coomans de Brachène et al. Exercise as a non-pharmacological intervention to protect pancreatic beta cells in individuals with type 1 and type 2 diabetes. Diabetologia (2022). doi: 10.1007/s00125-022-05837-9

    García-Hermoso et al. Exercise training-induced changes in exerkine concentrations may be relevant to the metabolic control of type 2 diabetes mellitus patients: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Journal of Sport and Health Science (2022) doi: 10.1016/j.jshs.2022.11.003

    Liang et al., Association between sedentary behavior, physical activity, and cardiovascular disease-related outcomes in adults—A meta-analysis and systematic review. Front. Public Health (2022) Sec. Aging and Public Health. doi: 10.3389/fpubh.2022.1018460

    Mavropalias ,et al. Exercise medicine for cancer cachexia: targeted exercise to counteract mechanisms and treatment side effects. J Cancer Res Clin Oncol. 2022 Jun;148(6):1389-1406. doi: 10.1007/s00432-022-03927-0.

    Morales-Palomo et al. Effect of Yearly Exercise on Medication Expense and Benefit-Cost Ratio in Individuals with Metabolic Syndrome: A Randomized Clinical Trial. Med Sci Sports Exerc. 2023 Feb 1;55(2):158-166. doi: 10.1249/MSS.0000000000003053. 

    Zhen  et al. A systematic review and meta-analysis on effects of aerobic exercise in people with Parkinson’s disease. NPJ Parkinsons Dis. 2022 Oct 31;8(1):146. doi: 10.1038/s41531-022-00418-4